Wir setzen uns mit Clara Rosencher, einer Getreide-Traderin bei der Louis Dreyfus Company (LDC) in Genf, zusammen, um über Frauen, Börsenhandel und Reisen zu sprechen. Die gebürtige Pariserin kam über das Graduiertenprogramm von LDC in das Unternehmen.
Wie kam es dazu, dass Sie Traderin wurden?
(Lacht) Ob Sie es glauben oder nicht, ich hätte nie offen gesagt, dass ich Traderin werden möchte. Dazu wäre ich viel zu schüchtern gewesen. Ich habe viele Männer sagen hören, sie wollten Trader werden, aber keine Frauen.
Und so schien mir das etwas außerhalb meiner Reichweite zu liegen.
Aber ich liebte die Mathematik, ich liebte das Reisen, und ich wünschte mir, in einem internationalen Unternehmen zu arbeiten und mit Menschen auf der ganzen Welt zu interagieren. Nach meinem Master-Abschluss in Commodity Finance arbeitete ich einige Monate bei einem Start-up-Unternehmen, beschloss dann, es mal zu probieren und bewarb mich für das Graduiertenprogramm von LDC. Während dieses Programms erhielt ich angemessene Unterstützung und Schulung, um die erforderlichen Fähigkeiten zu erwerben, um Trader zu werden. Danach war ich zuversichtlicher, dass ich es schaffen könnte.
Warum gehen nicht mehr Frauen in den Börsenhandel?
Auf diese Frage gibt es nicht nur eine Antwort. Es ist nur so, dass Frauen Generation für Generation bestimmte Berufe ausgeübt haben.
Und trotz vieler Fortschritte zugunsten der Frauen ist es für uns immer noch eine Herausforderung, es in der heutigen Welt des Börsenhandels zu schaffen.
Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass Männer und Frauen gleichermaßen hervorragende Trader sein können. Natürlich ist keine der Eigenschaften und Merkmale, um diese Arbeit gut zu erledigen, geschlechtsspezifisch – hoffentlich erkennen das heute immer mehr Frauen.
Man braucht viel Selbstvertrauen, um die Verantwortung für den Umgang mit Risiken und Druck zu übernehmen, die mit dem Gefahrenpotenzial bedeutender Handelspositionen verknüpft ist. Wenn die Märkte ungünstig sind, muss man auch in der Lage sein, kurz- bis mittelfristige Enttäuschungen zu überwinden
In vielerlei Hinsicht können auch die emotionale Intelligenz und das Einfühlungsvermögen von Frauen in diesem Beruf von großem Vorteil sein.
Und dann ist da noch der Knackpunkt: Wie bringt man einen stressigen, anspruchsvollen Job mit dem Familienleben unter einen Hut. Doch das gilt für jeden Beruf, nicht nur für den Börsenhandel.
Was würden Sie den Frauen heute sagen?
Fürchten Sie sich nicht vor dem Wort „Trader“. Das ist nicht nur ein Beruf für Männer. Ich bin jetzt seit vier Jahren im Börsenhandel tätig, und es macht mir sehr viel Spaß. Ich liebe es, morgens aufzuwachen und mich der Herausforderung des Tages zu stellen. Jeder Tag ist anders und erfordert neue Entscheidungen, neue Anfänge. Die Position schläft nie. Man bewertet, bewertet neu, justiert und verändert. Die Intuition einer Frau ist beim Börsenhandel äußerst wertvoll.
Erzählen Sie uns mehr über Ihre Arbeit und warum sie Sie reizt.
Meine Aufgabe besteht darin, Informationen zu nutzen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich betrachte und analysiere große Mengen an Informationen. Dann ziehe ich Schlussfolgerungen mit dem Ziel, Arbitrage-Gewinne zu erzielen.
In meinem Job ist alles schnell (blickt aufs Handy). Wir müssen ständig Entscheidungen treffen oder eine Richtung vor Augen haben, auch wenn das bedeutet, nichts zu tun. Ich liebe die Intensität. Auch Verantwortung spielt eine Rolle. Ich übernehme die Verantwortung für Erfolg oder Misserfolg. Das kann hart sein, ich genieße jedoch das Gefühl der Herausforderung, das damit einhergeht.
Dieser Beruf befindet sich im Wandel, und jeder weiß, dass unsere Arbeitsplätze mehr und mehr von Technologie und Automatisierung beeinflusst werden. Doch die Fähigkeiten, die ich mir aneigne, sind in unserer gesamten Branche relevant. Im Moment lerne ich so viel wie möglich und genieße es.
Ihre Leidenschaft sind Reisen und Fotografieren. Verträgt sich das gut mit Ihrer Arbeit?
Wenn Sie mich fragen, wer ich bin, werde ich Ihnen sagen, dass ich in erster Linie Filme mag und gerne reise.
Ich interessiere mich leidenschaftlich für kleinste Details, natürliche Umgebungen und spontane Interaktionen, was irgendwie an meinen Beruf erinnert. Ich reise, wann immer ich frei habe. Und da meine Arbeit mehr Verträge in Papierform mit sich bringt als Getreide zum Anfassen, sehe ich auf Reisen gerne Weizen und Mais. Das macht meine Arbeit noch realer.